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CfP: “Jüdische Erfahrungen in der Bukowina” für Danubiana Carpathica 63 (2026)

Eingereicht am: 10.07.2024
Eingereicht von: Michael Kabelka / kabelka@bukowina-institut.de

Das Bukowina-Institut an der Universität Augsburg ruft zur Einreichung von Beiträgen für den 63. Band der Danubiana Carpathica: Jahrbuch für Geschichte und Kultur in den deutschen Siedlungsgebieten in Südosteuropa auf. Der Schwerpunkt dieses Bandes liegt auf jüdischen Erfahrungen in der Bukowina.

Die Bukowina, das Land der Buchenwälder, wird im Süden von den Karpaten, im Norden vom Fluss Dnjestr und im Südosten vom Fluss Bistritz begrenzt. Dieses von Flüssen und Handelswegen durchzogene Gebiet wurde von Reisenden oft als der östlichste Punkt des Westens und der westlichste Punkt des Ostens bezeichnet. Aufgrund ihrer Lage wurde die Bukowina häufig zum Grenzgebiet zwischen wechselnden Großmächten. Einst eine in mehrfacher Hinsicht diverse und kulturell reiche Region der Habsburger Monarchie, wurde die Bukowina nach dem Zweiten Weltkrieg in einen rumänischen und einen sowjetischen Teil getrennt und ist dadurch heute zwischen Rumänien und der Ukraine geteilt. Die Region nimmt einen einzigartigen Platz in der jüdischen Geschichte und Erinnerung ein, wo verschiedene jüdische Gemeinden neben rumänischen und ukrainischen orthodoxen Christen, lutherischen Deutschen, römisch-katholischen Polen, Andrásfalva-Szekler, armenischen Christen, russischen Lipowanern und Huzulen lebten.
Die Ursprünge der jüdischen Präsenz in der Bukowina sind ungeklärt, vermutlich beginnt sie im 15. Jahrhundert. In dieser Zeit führten Handelswege durch die Region und jüdische Kaufleute wurden ermutigt, sich im Fürstentum Moldau niederzulassen. Zum Zeitpunkt der österreichischen Besetzung im Jahr 1774 waren jüdischen Gemeinden bereits Teil der lokalen Bevölkerung. In den Jahren nach der Eroberung zeigte die österreichische Verwaltung zunächst eine feindselige Haltung gegenüber der jüdischen Bevölkerung. Dies begründete sich weniger auf Stereotypen und Antisemitismus als mit der aufklärerischen Auffassung, dass die lokalen jüdischen Gemeinden ein Modernisierungshindernis und damit ein Problem darstellten. Im Jahr 1789 wurde ein Toleranzedikt erlassen und ab 1849 förderte die Liberalisierungs- und Emanzipationspolitik eine Atmosphäre der Toleranz und kulturellen Assimilation. Hierdurch begann das sogenannte Jüdische Goldene Zeitalter. Österreichische und deutsche Einflüsse prägten das jüdische Leben in der Bukowina in dieser Zeit nachhaltig. Während das Jiddische im familiären Bereich beibehalten wurde, übernahmen die Juden anderweitig die deutsche Sprache und spielten so eine zentrale Rolle bei der Förderung der deutschsprachigen Kultur in der Region. Bis 1914 hatten sich die Juden vollständig in die bukowinische Gesellschaft integriert und betrachteten Österreich als ihre Heimat – ein Prozess, den der Historiker David Rechter als „becoming Habsburg“ bezeichnet. Wie erweiterte die Emanzipation die Möglichkeiten jüdischer Mobilität? Welche Kontroversen löste die Emanzipation der Juden aus? Wie veränderte die Emanzipation den Alltag der jüdischen Gemeinden und wie prägte das jüdische Leben die Bukowina insgesamt? Inwieweit war der Alltag ethnisiert und wie bewegten sich die Bewohner der Region zwischen Vielfalt und ethnischer Homogenisierung? Wie variierte diese Erfahrung zwischen städtischen und ländlichen Gebieten?
Nach dem Ersten Weltkrieg wurde die Bukowina Teil des Königreichs Rumänien. Dies stellte eine Herausforderung für die meist städtischen, deutschsprachigen jüdischen Gemeinden dar, die sich als Österreicher identifizierten. Der Herrschaftswechsel und die Bemühungen um eine Rumänisierung der Region wirkten sich auf die Beziehungen zwischen Juden und Nichtjuden aus. Was blieb gleich, was änderte sich? In den 1930er Jahren, als rechtsextreme Bewegungen in ganz Europa an Einfluss gewannen, nahmen nationalistische Politiken und Antisemitismus auch in Rumänien zu. Die Bukowina wurde 1940 an die Sowjets abgetreten und 1941 im Bündnis mit Deutschland von Rumänien zurückerobert. Deportationen nach Transnistrien, Vertreibung und Vernichtung der bukowinischen Juden im Holocaust dezimierten die jüdische Gemeinde, zwei Drittel der jüdischen Vorkriegsbevölkerung der Bukowina überlebten nicht. Die etwa 50.000 Überlebenden emigrierten größtenteils nach Israel. Wie interagierten Ukrainer, Rumänen, Polen und Deutsche damals mit ihren jüdischen Nachbarn? Wie prägte die Erfahrung des Holocaust die Erinnerungskulturen dieser Gruppen?
Obwohl die Bukowina als geopolitische Einheit nicht mehr existiert, bleibt sie für die vertriebenen jüdischen Bukowiner ein wichtiger Bezugspunkt in ihrer neuen Heimat. Die Bukowina wurde nostalgisch als Symbol eines verlorenen Ostmitteleuropas mythologisiert, in dem jüdische Gemeinden aufblühten. Heute ist die Bukowina zwischen der Ukraine und Rumänien aufgeteilt und ihre jüdischen Gemeinden sind über die ganze Welt verstreut. Was bedeutete es früher und was bedeutet es heute, bukowinischer Jude zu sein?
Der Band 2026 der Danubiana Carpathica: Jahrbuch für Geschichte und Kultur in den deutschen Siedlungsgebieten in Südosteuropa, herausgegeben vom Verlag De Gruyter Oldenbourg, ruft zur Einreichung von Manuskripten auf, die sich mit jüdischen Erfahrungen in der Bukowina beschäftigen. Ziel der Herausgeber ist es, eine inter- und multidisziplinäre Darstellung jüdischer Perspektiven auf die Bukowina zu schaffen. Wir ermutigen zukünftige Autoren, nicht nur disziplinäre Grenzen zu überschreiten, sondern auch die Grenzen nationaler Historiographie zu übertreten, um eine verflochtene Geschichte der jüdischen Bukowina anzubieten. Beiträge aus den Bereichen Anthropologie, Kunstgeschichte, Kulturwissenschaften, Digital Humanities, Ethnographie, Umweltgeschichte, Geografie, Geschichte, Judaistik, Rechtsgeschichte, Literatur, Museologie, Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, Soziologie, Translationswissenschaft und verwandten Disziplinen sind willkommen. Wir laden zu Studien ein, die sich mit diesem komplexen Thema auseinandersetzen und Einblicke aus theoretischer, methodischer und historiographischer Perspektive bieten.
Die Autoren werden gebeten, mindestens eines der folgenden Themen zu behandeln:
– Wandel von Souveränität und jüdischen Loyalitätsmustern
– Administrative und rechtliche Rahmenbedingungen jüdisch-nichtjüdischen Zusammenlebens: Perspektiven von oben und von unten
– Soziologie nostalgischer Darstellungen der Bukowina in Belletristik und Sachliteratur
– Modernisierung, „Judenfrage“ und Antisemitismus
– Individuelle Biografien und Narrative des Jüdischseins
– Gesellschaftliches und wirtschaftliches Leben in der jüdischen Bukowina
– Grenzerfahrungen
– Die mentale Konstruktion von Ost und West, einschließlich der Kontroverse um die Begriffe „Ostjude“ und „Westjude“
– Der Holocaust in der Bukowina
– Geografie und Kontinuitäten und Diskontinuitäten in der mentalen Kartographie der jüdischen Bukowina
– Jüdischsein als kollektive und individuelle Erfahrung in der Bukowina

Bewerbungsprozess:
Reichen Sie bitte Ihren Abstract von maximal 500 Wörtern und einen kurzen Lebenslauf von etwa 250 Wörtern bis zum 1. Oktober 2024 bei kabelka[at]bukowina-institut.de ein. Die Autoren erhalten bis zum 1. November 2024 eine Rückmeldung.
Nach positiver Rückmeldung reichen Sie bitte einen vollständigen Beitrag von ca. 30.000 Zeichen bis spätestens 3. Februar 2025 ein.

Literatur
Dumitru, Diana. The State, Antisemitism, and Collaboration in the Holocaust: The Borderlands of Romania and the Soviet Union. Cambridge University Press, 2016.
Filipovici, A. (2019). The Rise of Antisemitism in the Multiethnic Borderland of Bukovina: Student Movements and Interethnic Clashes at the University of Cernauti (1922-1938). In G. Fisher & C. Mezger (Eds.), The Holocaust in the Borderlands (pp. 35–58). Wallstein Verlag. https://doi.org/10.5771/9783835344198-35
Fisher, G., & Mezger, C. (Eds.). (2019). The Holocaust in the Borderlands: Interethnic Relations and the Dynamics of Violence in Occupied Eastern Europe. Wallstein Verlag. https://doi.org/10.5771/9783835344198.
Gaëlle Fisher, Resettlers and Survivors: Bukovina and the Politics of Belonging in West Germany and Israel, 1945–1989 (Berghahn Books, 2022), https://doi.org/10.1515/9781789206685.
Grilj, Benjamin. “Multigenerational Experiences of Flight: The Case of Jewish Refugees from Galicia and Bukovina in Vienna and Lower Austria, 1918–1941.” The Journal of Holocaust Research 35, no. 3 (July 3, 2021): 214–32. https://doi.org/10.1080/25785648.2021.1945189.
Hausleitner, Mariana. Selbstbehauptung gegen staatliche Zwangsmaßnahmen: Juden und Deutsche in Rumänien seit 1830. Forum, Bd. 42. Berlin: Frank & Timme, 2021.
Kiss, Noémi. Schäbiges Schmuckkästchen: Reisen in den Osten Europas ; [Bukowina, Czernowitz, Galizien, Gödöllő, Lemberg, Siebenbürgen, Vojvodina]. Translated by Éva Zádor. Berlin München Wien: Europa-Verl, 2015.
Rechter, David. Becoming Habsburg: The Jews of Austrian Bukovina, 1774–1918. Oxford ; Portland, Oregon: The Littman Library of Jewish Civilization, 2013.
Rotman, Liviu. Evreii Din România În Perioada Comunistă: 1944-1965. Historia. Iași: Polirom, 2004.

Details

Zeit:
10.07.2024 @ 08:00 - 01.10.2024 @ 17:00
Webseite:
bukowina-institut.de

Veranstaltungsort

Bukowina-Institut Augsburg
Alter Postweg 97A
Augsburg, 86159 Deutschland
Webseite:
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