Publ.: Buchvorstellung_zur Frauenbewegung ASPEKT (Slowakei)

Eingereicht am: 28.06.2025
Eingereicht von: Andrea Reynolds / adreynolds3@gmail.com

Vorsicht, Feministin!
Jana Juráňová, Stimme der slowakischen Frauenbewegung ASPEKT, im Gespräch mit Jana Beňová

Nerob s ňou rozhovor, je to feministka! Rozhovor Jany Beňovej s Janou Juráňovou (Mach mit der kein Interview, die ist Feministin! Ein Interview von Jana Beňová mit Jana Juráňová), BRAK, Bratislava, 2024
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„Damals wusste ich nicht, wo und wie ich mich verteidigen sollte. Er schrieb über uns Feministinnen, nannte uns ‚bekloppte Kühe‘“
(Jana Juráňová, S. 104)

Alles begann in einem kleinen Dorf im Westen der Slowakei, fernab vom kulturellen und nationalen Zentrum des Landes. Dort hatte Jana Juráňovás Großvater immer darauf beharrt: „Wenn wir hier nicht seit jeher eigensinnig auf unserem Hintern gesessen hätten, wäre aus der Slowakei nichts geworden.“ (S. 7)
Mit genau dieser Hartnäckigkeit, mit Pragmatismus und Humor, hat Jana Juráňová nun schon über Jahrzehnte die Kultur und auf bedeutsame Weise die Demokratie in der Slowakei geprägt. Ihr besonderes Lebenswerk ist die Frauenbewegung ASPEKT.
In Form eines langen Gesprächs, geführt von der ebenso renommierten Autorin und Journalistin Jana Beňová, liegt mit diesem Buch nun eine umfangreiche Biografie Jana Juráňovás vor. Sie umfasst alle Arbeits- und Lebensbereiche der Aktivistin, Autorin, Übersetzerin, Dramaturgin, Journalistin, Mutter, Tochter, Freundin, Kollegin – und Trägerin des höchsten Ordens der Slowakei (Rad Ľudovíta Štúra) für außerordentliche Verdienste in den Bereichen Entwicklung der Demokratie, Schutz von Menschenrechten und Freiheit sowie der Entwicklung der literarischen Tätigkeit (2019).
Die Interviewtexte sind ein zeitgeschichtliches Dokument. Sie werfen einen sehr detaillierten Blick auf alle gesellschaftlichen Zeitepochen, die Juráňovás Leben begleitet und geprägt haben – die Zeit des Prager Frühlings, der sogenannten Normalisierung in den 70er Jahren, die Jahre vor 1989, die Samtene Revolution, den Aufbruch der 90er Jahre, die Slowakei als eigenständiger Staat, die Regierungszeit Mečiars, den EU-Beitritt – bis in die Gegenwart, zu den jüngsten Themen Covid und dem Ukraine-Krieg.
Jana Juráňová ist vor allem die Stimme und das Gesicht der 1993 gegründeten Frauenbewegung ASPEKT, die sich für Rechte der Frauen und für deren Präsenz in der slowakischen Gesellschaft und weit darüber hinaus engagiert. Zu den Tätigkeiten von ASPEKT gehören Verlagsarbeit (Bücher und eine Zeitschrift), eine Bibliothek, internationale Vernetzungen, Veranstaltungen, Konferenzen, Präsentationen und stets aktuelle Präsenz im Internet.
Mit der umfangreichen Verlagsarbeit dokumentiert und fördert ASPEKT Literatur von Frauen in der Slowakei und leistet somit auch einen enormen Beitrag zur Literaturgeschichte.
Mut und Menschlichkeit sind Juráňovás starke Züge. Sie hat sich noch nie gescheut etwas zu sagen, zu schreiben, zu tun, was sie für wichtig hält. Zugleich gibt sie in diesen Gesprächen einen tiefen Einblick in ihr persönliches Leben, beschreibt an vielen Stellen sehr bewegend auch ihre zwischenmenschlichen Beziehungen, ihre Wahrnehmungen und Gefühle.
Jana Beňová wiederum ist als renommierte Autorin und namhafte Vertreterin der slowakischen Literaturszene (2012 Literaturpreis der EU) eine besondere Gesprächspartnerin. Sie bringt sehr viel Wissen, ihre persönlichen Erkenntnisse, Wahrnehmungen und Meinungen zur Literatur, zur Gesellschaft, besonders zu Frauen in der Literatur und zu vielen Entwicklungen in der Slowakei ins Gespräch ein. Das Interview ist zugleich ein allgemeiner und an vielen Stellen ein literaturgeschichtlicher Diskurs dieser beiden Persönlichkeiten.
Auf besondere Weise lebendig wird das Buch durch private Fotos, einige bereits publizierte literarische und journalistische Texte von Jana Juráňová, Jana Beňová und Peter Zájac sowie Briefe von Juráňovás sehr jung verstorbenem Bruder, dem Theaterschaffenden Pavol Juráň.
Mit „Vorsicht, Feministin!“ räumt Jana Juráňová eindrücklich mit allen dem Feminismus oft zugeschriebenen Klischees auf. Diese Frauenbewegung in der Slowakei ist keine Initiative pauschal gegen Männer. Sie engagiert sich für die Auflösung starrer patriarchalischer Strukturen in der Kultur, in der Politik, im Rechtssystem, in der Familie und somit in der Gesellschaft allgemein. Das Ziel ist jedoch noch weitgreifender – ein respektvolles und gutes Zusammenleben der ganzen Gesellschaft allgemein mit einem Recht auf Rechte für alle.

„Wir leben heute schon in einer Demokratie, in einer freien Welt, und wenn wir sie weiterhin frei haben möchten, dann müssen wir sie so schaffen.“
(Jana Juráňová, S. 214)

Die Gespräche fanden vom Frühjahr 2023 bis zum Frühjahr 2024 statt. Während das Buch für den Druck vorbereitet wurde, hatte die im Herbst 2023 neu gewählte slowakische Regierung bereits begonnen, leitende Positionen in bedeutenden kulturellen Institutionen der Slowakei mit Vertretern der eigenen Interessen willkürlich und sehr spontan neu zu besetzen. Zu den neu eingesetzten Repräsentanten der Kultur gehörten auch Männer, die Jana Juráňová und ihre Kolleginnen von ASPEKT einst als „bekloppte Kühe“ (S. 104) bezeichnet hatten.
Mit dem Buch stellt Jana Juráňová auch diesem neuen politischen Kurs die nachhaltigen Leistungen der Frauenbewegung und das Literaturschaffen slowakischer Autorinnen hartnäckig entgegen.

Die nachhaltige Wirksamkeit der Frauenbewegung ASPEKT ist zum Beispiel hier sichtbar:
Hana heißt schlicht eine bedeutende aktuelle Ausstellung im Stadtmuseum Bratislava zu einer der größten Autorinnen und vor allem etablierten Frauen der slowakischen Kulturgeschichte. Hana Gregorová gilt im Land historisch als erste Feministin. Die Kuratorin Jana Jablonická Zezulová beruft sich auf die Frauenbewegung ASPEKT. Diese habe sie selbst und ihr eigenes professionelles Engagement für Frauen entscheidend inspiriert.
Mit Premeny múzy alebo ženy nového veku II. [Wandlungen der Muse – oder Frauen der neuen Zeit II] fand 2022-2023 im Literaturmuseum der Slowakischen Nationalbibliothek (SNK) in Martin bereits eine zweite erfolgreiche Ausstellung zu Frauen statt, welche die slowakische Literatur und Kultur allgemein transformiert und geprägt haben. Die Kuratorin PhDr. Jarmila Kováčová verweist auf das bei ASPEKT publizierte Buch Potopené duše (Untergegangene Seelen) als Grundlage für diese Ausstellung.

Veröffentlicht am:
Rubrik: Bildung
Tagesredaktion: Alexander Horn