Bayern 2 Salon Francesca Melandri: Kalte Füsse (1/9)
Mittwoch, 09.10.2024 (Folge 1/9)
20:03 bis 21:00 Uhr
Als Podcast verfügbar
BAYERN 2
Francesca Melandri: Kalte Füße
Gelesen von Nina Kunzendorf
Wie sollen Westeuropäer:innen Krieg verstehen? „Sag mir, was Krieg ist“, bittet Francesca Melandri ihren Vater, Ex-Offizier im Zweiten Weltkrieg, der dort kämpfte, wo heute, 82 Jahre später, wieder gekämpft wird, in der Ukraine. Lesung mit Nina Kunzendorf
Italien ist Gastland auf der Frankfurter Buchmesse 2024
Hörbuch-Podcast in der ARD Audiothek ab 09. Oktober
und 9-teilige Lesung auf Bayern 2 ab 09. Oktober, mittwochs ab 20.05 Uhr im „Salon“
„Wir sind für Frieden. Aber ich, ich muss herausfinden, was Krieg ist, Papa. Deshalb brauche ich deine Hilfe.“
Charkiw, Luhansk, Mariupol, Bachmut: Seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine sind ständig Orte in den Nachrichten, die die italienische Autorin Francesca Melandri aus den Büchern ihres Vaters kennt, aus seinen Geschichten über den Zweiten Weltkrieg bei den Alpini, den italienischen Soldaten, die an der Seite Hitler-Deutschlands in die Sowjetunion, eigentlich aber in die Ukraine einmarschierten. Was aber wurde nicht erzählt? Die Bestsellerautorin Francesca Melandri („Alle, außer mir“, 2018) verknüpft in ihrem neuen Buch Familiengeschichte mit Weltgeschichte angesichts des erneuten Endes des Friedens in Europa.
Francesca Melandri: „Sag mir, was Krieg ist, Papa“
„Eigentlich ist mein Buch ein langer Brief an meinen Vater. Er wurde 1919 geboren, als Italiener gehörte er also der Generation an, die im Zweiten Weltkrieg auf der falschen Seite kämpfte, der der Faschisten, der Achse Berlin-Rom. Er war ein junger faschistischer Offizier, der an der ‚Ostfront‘ stationiert war; wir Italiener sagen immer ‚Russland‘, obwohl es eigentlich die UDSSR war. Und was ich in meinem Buch versucht habe, ist, meinen Vater, seine Erinnerungen, seine Bücher zu befragen: Bitte, erklär mir, was Krieg ist, weil ich es nicht weiß und Du, Papa, du musstest lernen, was Krieg ist – ob du wolltest oder nicht.“ (Francesca Melandri)
Es ist ein atemberaubender, fast dreihundert Seiten langer Brief an ihren Vater geworden: Melandris Beschreibung der Geschichte(n) ihres Vaters – von den frierenden Füßen als schlecht ausgerüsteter Offizier mit Pappschuhen bis zum Schuh schlagenden Genosse Generalsekretär Chruschtschow 1960 bei der UNO-Generalversammlung. Und es ist eine gründlich recherchierte, aber auch politische und selbstkritische Auseinandersetzung mit ihrer Generation, die niemals Krieg und Hunger kennenlernen musste, die in „glücklicher Ignoranz“ als pazifistische Westeuropäer über achtzig Jahre leben durfte.
Und was jetzt?, fragt die Autorin zum Schluss: „Wie werden wir uns verhalten, wenn der Krieg eines Tages keine Fernsehserie mehr ist, sondern der Fluch des echten Lebens?“
(…)
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Franz Preißler (Preissler)
Frankfurt am Main
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